Interview – die Zukunft des Data Science
Bei Projekten orientieren wir uns am Anwendungsfall
Data Science Blog: Welche Möglichkeiten bietet Data Science für die Industrie 4.0?
Unter Industrie 4.0 verstehe ich eine immer stärkere Vernetzung von Maschinen, Sensoren und Erzeugnissen. Schon für das Zusammenführen und Bereinigen der dabei anfallenden Daten wird man einen steigenden Grad an Automatisierung durch Algorithmen benötigen, da ansonsten die manuellen Aufwände viele Anwendungsfälle unwirtschaftlich machen. Darauf aufbauend werden Algorithmen den Kern vieler neuer Szenarien bilden. Mit einigen unserer Kunden arbeiten wir beispielsweise an Projekten, bei denen die Qualität von Endprodukten anhand von Maschineneinstellungen und Sensorwerten vorhergesagt wird. Dies erlaubt eine präzisere Steuerung der Produktion und führt zu reduziertem Ausschuss. Ein anderes Beispiel ist ein Projekt mit einer Eisenbahngesellschaft, bei dem wir automatisch gewisse Stromverbraucher wie Heizungen oder Klimaanlagen für wenige Minuten abschalten, wenn im Stromnetz eine unerwünschte Lastspitze vorhergesagt wird.
Data Science Blog: Welche Tools verwenden Sie bei Ihrer Arbeit? Setzen Sie dabei auch auf Open Source?
In unseren Projekten orientieren wir uns immer an den Notwendigkeiten des konkreten Anwendungsfalles und an der bereits vorhandenen IT-Landschaft beim Kunden. Schließlich muss unsere Lösung dazu passen und sauber integriert und gewartet werden können. Natürlich kommen häufig hauseigene Werkzeuge wie SAP Predictive Analysis für die Modellbildung oder SAP Lumira für schnelle Visualisierung zum Einsatz. Als Plattform spielt SAP HANA eine große Rolle – nicht nur zur Datenhaltung, sondern auch zur Ausführung von Algorithmen und als Anwendungsserver. In SAP HANA gibt es auch eine Schnittstelle zu ‚R‘, so dass in manchen Projekten auch Open Source zum Einsatz kommt.
Data Science Blog: Was sind aktuelle Trends im Bereich Data Science? Um welche Methoden dreht es sich aktuell besonders stark bei SAP?
Einer der größten Trends der letzten Jahre ist sicherlich die zunehmend ganzheitliche Nutzung von Daten, insbesondere auch von rohen, unstrukturierten Daten gepaart mit einem höheren Grad an Automatisierung. Wo vor vielleicht fünf oder zehn Jahren noch großer Wert auf Datenvorverarbeitung und Feature Engineering gelegt wurde, werden diese Schritte heute zunehmend von den Tools selbständig durchgeführt.
Gleichzeitig wachsen klassisches Business Intelligence und Data Science immer mehr zusammen. Wir sehen eine steigende Zahl von Projekten, in denen Kunden analytische Lösungen implementieren, welche in Komplexität und Funktionsumfang deutlich über traditionelle Berichte und Dashboards hinausgehen, dabei aber durchaus ohne fortgeschrittene Mathematik auskommen.
Data Science Blog: Sofern Sie sich einen Ausblick zutrauen, welche Trends kommen 2017 und 2018 vermutlich auf uns zu?
Data-Science-Methoden und traditionelle Geschäftsprozesse werden immer enger verzahnt. In Zukunft übernehmen Algorithmen viel mehr jener Tätigkeiten, die auch nach umfassender Prozessautomatisierung heute immer noch von Sachbearbeitern zu erledigen sind – zum Beispiel eingehende Zahlungen einer Rechnung zuzuordnen, Lebensläufe von Bewerbern vor zu sortieren, die Plausibilität von Abrechnungen zu prüfen und Ähnliches.
Data Science Blog: Gehört die Zukunft weiterhin den Data Scientists oder eher den selbstlernenden Tools, die Analysen automatisiert für das Business entwickeln, durchführen und verbessern werden?
Es gibt definitiv einen Trend zu stärkerer Automatisierung bei den Tools und den starken Wunsch, Kompetenzen näher an die Endanwender zu bringen. Analysen werden zunehmend in den Geschäftsbereichen selbst durchgeführt.
Gleichzeitig sehe ich einen Wandel in der Rolle des Data Scientist. Es reicht nicht mehr, viele Algorithmen und ein paar Data Mining Tools im Detail zu kennen, um wirklich Mehrwert zu stiften. Der Data Scientist der Zukunft ist ein Vordenker, der ganzheitliche Visionen entwickelt, wie geschäftliche Fragestellungen mit Hilfe von Analytik gelöst werden können. Dabei müssen neue oder geänderte Geschäftsprozesse, ihre technische Umsetzung und algorithmische Lösungen gleichermaßen angegangen werden. Nehmen Sie als Beispiel das Thema Predictive Maintenance: Es gibt viele Data Scientists, die aus Sensordaten etwas über den Zustand einer Maschine ableiten können. Aber nur wenige Experten verstehen es, dies dann auch noch sinnvoll in reale Instandhaltungsprozesse einzubetten.
Die Nachfrage nach einem solchen Rollenprofil, für das es heute noch nicht einmal einen wirklich treffenden und allgemein gebräuchlichen Namen gibt, wird auch in Zukunft weit höher sein als die Verfügbarkeit von qualifizierten Kandidaten.
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