Process Mining: Innovative Analyse von Datenspuren für Audit und Forensik

Step-by-Step:

Neue Möglichkeiten zur Aufdeckung von Compliance-Verstößen mit Process Analytics

Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung findet derzeit ein enormer Umbruch der alltäglichen Arbeit hin zur lückenlosen Erfassung aller Arbeitsschritte in IT-Systemen statt. Darüber hinaus sehen sich Unternehmen mit zunehmend verschärften Regulierungsanforderungen an ihre IT-Systeme konfrontiert.

Der unaufhaltsame Trend hin zur vernetzten Welt („Internet of Things“) wird die Möglichkeiten der Prozesstransparenz noch weiter vergrößern – jedoch werden bereits jetzt viele Prozesse im Unternehmensbereich über ein oder mehrere IT-Systeme erfasst. Jeder Mitarbeiter, aber auch jeder automatisiert ablaufende Prozess hinterlässt viele Datenspuren in IT-Backend-Systemen, aus denen Prozesse rückwirkend oder in Echtzeit nachgebildet werden können. Diese umfassen sowohl offensichtliche Prozesse, wie etwa den Eintrag einer erfassten Bestellung oder Rechnung, als auch teilweise verborgene Prozesse, wie beispielsweise die Änderung bestimmter Einträge oder Löschung dieser Geschäftsobjekte. 


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“Process Analytics – Data Analysis for Process Audit & Improvement”


1 Das Verständnis von Process Analytics

Process Analytics ist eine datengetriebene Methodik der Ist-Prozessanalyse, die ihren Ursprung in der Forensik hat. Im Kern des dieser am Zweck orientierten Analyse steht das sogenannte Process Mining, eine auf die Rekonstruktion von Prozessen ausgerichtetes Data Mining. Im Zuge der steigenden Bedeutung der Computerkriminalität wurde es notwendig, die Datenspuren, die potenzielle Kriminelle in IT-Systemen hinterließen, zu identifizieren und zu analysieren, um das Geschehen so gut wie möglich zu rekonstruieren.

Mit dem Trend hin zu Big Data Analytics hat Process Analytics nicht nur neue Datengrundlagen erhalten, sondern ist als Analysemethode weiterentwickelt worden. Zudem ermöglicht die Visualisierung dem Analysten oder Berichtsempfänger ein tief gehendes Verständnis auch komplexerer Geschäftsprozesse.

Während in der konventionellen Prozessanalyse vor allem Mitarbeiterinterviews und Beobachtung der Mitarbeiter am Schreibtisch durchgeführt werden, um tatsächlich gelebte Prozesse zu ermitteln, ist Process Analytics eine führende Methode, die rein faktenbasiert und damit objektiv an die Prozesse herangeht. Befragt werden nicht die Mitarbeiter, sondern die IT-Systeme, die nicht nur alle erfassten Geschäftsobjekte tabellenorientiert abspeichern, sondern auch im Hintergrund – unsichtbar für die Anwender – jegliche Änderungsvorgänge z. B. an Bestellungen, Rechnungen oder Kundenaufträgen lückenlos mit einem Zeitstempel (oft Sekunden- oder Millisekunden-genau) protokollieren.

2 Die richtige Auswahl der zu betrachtenden Prozesse

Heute arbeitet nahezu jedes Unternehmen mit mindestens einem ERP-System. Da häufig noch weitere Systeme eingesetzt werden, lässt sich klar herausstellen, welche Prozesse nicht analysiert werden können: Solche Prozesse, die noch ausschließlich auf Papier und im Kopf der Mitarbeiter ablaufen, also typische Entscheiderprozesse auf oberster, strategischer Ebene, die nicht in IT-Systemen erfasst und dementsprechend nicht ausgewertet werden können. Operative Prozesse werden hingegen in der Regel nahezu lückenlos in IT-Systemen erfasst und operative Entscheidungen protokolliert.

Zu den operativen Prozessen, die mit Process Analytics sehr gut rekonstruiert und analysiert werden können und gleichermaßen aus Compliance-Sicht von höchstem Interesse sind, gehören beispielsweise Prozesse der:

  • Beschaffung
  • Logistik / Transport
  • Vertriebs-/Auftragsvorgänge
  • Gewährleistungsabwicklung
  • Schadensregulierung
  • Kreditgewährung

Process Analytics bzw. Process Mining ermöglicht unabhängig von der Branche und dem Fachbereich die größtmögliche Transparenz über alle operativen Geschäftsprozesse. Für die Audit-Analyse ist dabei zu beachten, dass jeder Prozess separat betrachtet werden sollte, denn die Rekonstruktion erfolgt anhand von Vorgangsnummern, die je nach Prozess unterschiedlich sein können. Typische Vorgangsnummern sind beispielsweise Bestell-, Auftrags-, Kunden- oder Materialnummern.

3 Auswahl der relevanten IT-Systeme

Grundsätzlich sollte jedes im Unternehmen eingesetzte IT-System hinsichtlich der Relevanz für den zu analysierenden Prozess untersucht werden. Für die Analyse der Einkaufsprozesse ist in der Regel nur das ERP-System (z. B. SAP ERP) von Bedeutung. Einige Unternehmen verfügen jedoch über ein separates System der Buchhaltung (z.B. DATEV) oder ein CRM/SRM (z. B. von Microsoft), die dann ebenfalls einzubeziehen sind.

Bei anderen Prozessen können außer dem ERP-/CRM-System auch Daten aus anderen IT-Systemen eine entscheidende Rolle spielen. Gelegentlich sollten auch externe Daten integriert werden, wenn diese aus extern gelagerten Datenquellen wichtige Prozessinformationen liefern – beispielsweise Daten aus der Logistik.

4 Datenaufbereitung

Vor der datengetriebenen Prozessanalyse müssen die Daten, die auf Prozessaktivitäten direkt oder indirekt hindeuten, in den Datenquellen identifiziert, extrahiert und aufbereitet werden. Die Daten liegen in Datenbanktabellen und Server-Logs vor und werden über ein Data Warehousing Verfahren zusammengeführt und in ein Prozessprotokoll (unter den Process Minern i.d.R. als Event Log bezeichnet) umformuliert.

Das Prozessprotokoll ist in der Regel eine sehr große und breite Tabelle, die neben den eigentlichen Prozessaktivitäten auch Parameter enthält, über die sich Prozesse filtern lassen, beispielsweise Informationen über Produktgruppen, Preise, Mengen, Volumen, Fachbereiche oder Mitarbeitergruppen.

5 Prüfungsdurchführung

Die eigentliche Prüfung erfolgt visuell und somit intuitiv vor einem Prozessflussdiagramm, das die tatsächlichen Prozesse so darstellt, wie sie aus den IT-Systemen extrahiert werden konnten.

Process Mining – Beispielhafter Process Flow mit Fluxicon Disco (www.fluxicon.com)

Das durch die Datenaufbereitung erstellte Prozessprotokoll wird in eine Datenvisualisierungssoftware geladen, die dieses Protokoll über die Vorgangsnummern und Zeitstempel in einem grafischen Prozessnetzwerk darstellt. Die Prozessflüsse werden also nicht modelliert, wie es bei den Soll-Prozessen der Fall ist, sondern es „sprechen“ die IT-Systeme.

Die Prozessflüsse werden visuell dargestellt und statistisch ausgewertet, so dass konkrete Aussagen über die im Hinblick auf Compliance relevante Prozess-Performance und -Risiken getroffen werden können.

6 Abweichung von Soll-Prozessen

Die Möglichkeit des intuitiven Filterns der Prozessdarstellung ermöglicht auch die gezielte Analyse von Ist-Prozessen, die von den Soll-Prozessverläufen abweichen.

Die Abweichung der Ist-Prozesse von den Soll-Prozessen wird in der Regel selbst von IT-affinen Führungskräften unterschätzt – mit Process Analytics lassen sich nun alle Abweichungen und die generelle Prozesskomplexität auf ihren Daten basierend untersuchen.

6 Erkennung von Prozesskontrollverletzungen

Die Implementierung von Prozesskontrollen sind Bestandteil eines professionellen Internen Kontrollsystems (IKS), die tatsächliche Einhaltung dieser Kontrollen in der Praxis ist jedoch häufig nicht untersucht oder belegt. Process Analytics ermöglicht hier die Umgehung des Vier-Augen-Prinzips bzw. die Aufdeckung von Funktionstrennungskonflikten. Zudem werden auch die bewusste Außerkraftsetzung von internen Kontrollmechanismen durch leitende Mitarbeiter oder die falsche Konfiguration der IT-Systeme deutlich sichtbar.

7 Erkennung von bisher unbekannten Verhaltensmustern

Nach der Prüfung der Einhaltung bestehender Kontrollen, also bekannter Muster, wird Process Analytics weiterhin zur Neuerkennung von bislang unbekannten Mustern in Prozessnetzwerken, die auf Risiken oder gar konkrete Betrugsfälle hindeuten und aufgrund ihrer bisherigen Unbekanntheit von keiner Kontrolle erfasst werden, genutzt. Insbesondere durch die – wie bereits erwähnt – häufig unterschätzte Komplexität der alltäglichen Prozessverflechtung fallen erst durch diese Analyse Fraud-Szenarien auf, die vorher nicht denkbar gewesen wären. An dieser Stelle erweitert sich die Vorgehensweise des Process Mining um die Methoden des maschinellen Lernens (Machine Learning), typischerweise unter Einsatz von Clustering, Klassifikation und Regression.

8 Berichterstattung – auch in Echtzeit möglich

Als hocheffektive Audit-Analyse ist Process Analytics bereits als iterative Prüfung in Abständen von drei bis zwölf Monaten ausreichend. Nach der erstmaligen Durchführung werden bereits Compliance-Verstöße, schwache oder gar unwirksame Kontrollen und gegebenenfalls sogar Betrugsfälle zuverlässig erkannt. Die Erkenntnisse können im Nachgang dazu genutzt werden, um die Schwachstellen abzustellen. Eine weitere Durchführung der Analyse nach einer Karenzzeit ermöglicht dann die Beurteilung der Wirksamkeit getroffener Maßnahmen.

In einigen Anwendungsszenarien ist auch die nahtlose Anbindung der Prozessanalyse mit visuellem Dashboard an die IT-Systemlandschaft zu empfehlen, so dass Prozesse in nahezu Echtzeit abgebildet werden können. Diese Anbindung kann zudem um Benachrichtigungssysteme ergänzt werden, so dass Entscheider und Revisoren via SMS oder E-Mail automatisiert über aktuellste Prozessverstöße informiert werden. Process Analytics wird somit zum Realtime Analytics.

Fazit

Process Analytics ist im Zuge der Digitalisieurng die hocheffektive Methodik aus dem Bereich der Big Data Analyse zur Aufdeckung Compliance-relevanter Tatbestände im gesamten Unternehmensbereich und auch eine visuelle Unterstützung bei der forensischen Datenanalyse.

 

Extraktion von Software-Metriken aus Java-Dateien mit ANTLR4

In der Software-Entwicklung wird mehr und mehr auf Metriken gesetzt, um den Entwicklungsprozess zu messen und zu verbessern. Tools wie SonarQube und FindBugs helfen dabei – doch sie haben ihre Grenzen. Sie brauchen build-fähige Projekte. Die Metriken sind manchmal nicht genau genug dokumentiert oder lassen sich nur schwer anpassen.

Dabei ist es gar nicht so schwierig, ein eigenes Tool zu schreiben. So können die Metriken selbst definiert, auf Textdateien angewendet, als Skript automatisiert und an beliebige Schnittstellen weitergeben werden – z. B. als CSV-Datei nach R, per Webinterface oder als E-Mail.

Im Folgenden wird gezeigt, wie mit ANTLR4 aus Java-Textdateien Metriken erhoben werden können. Das Beispiel-Projekt steht auf GitHub zur Verfügung.

Statische Code-Analyse mit ANTLR4

ANTLR4 (ANother Tool for Language Recognition) wird seit 1989 von Terence Parr, Professor an der University of San Francisco, entwickelt. Das Tool selbst ist kostenlos; die ausführliche Dokumentation kostet jedoch 27 US-Dollar. Für den Einstieg reicht die kostenlose Dokumentation. ANTLR4 ist eine Java-Bibliothek.

Beim Parsen erstellt ANTLR4 auf Basis einer Grammatik einen Syntaxbaum. Nach dem Parsen wird der Syntaxbaum mit einem Walker abgelaufen. Dabei auftretende Events können über ein Listener-Interface abgefangen werden. Durch das Verarbeiten der Events können eigene Metriken berechnet werden.

Das Listener-Interface selbst wird über die Grammatik spezifiziert. ANTLR4 generiert aus der Grammatik Listener in Java, von denen anschließend geerbt wird.

Für viele Programmiersprachen gibt es bereits fertige Grammatiken, die auf GitHub gemeinsam entwickelt werden (siehe z. B. Java-Grammatik). Ansonsten muss die Grammatik selbst geschrieben werden.

Das Beispiel-Projekt

Im Beispiel wird der Klassenname und die Anzahl von Methoden aus einer Java-Klasse erhoben:

Das Ergebnis wird in einer Map<String, Integer> ausgegeben.

Vorbereitungen

Im Beispiel werden Eclipse, ein ANTLR4-Eclipse-Plugin und Maven benutzt. ANTLR4 lässt sich auch unabhängig von Eclipse und Maven benutzen.

Nach der Installation des Eclipse-Plugins muss in der pom.xml eine Dependency ergänzt werden:

Die Java-Grammatik wird von GitHub heruntergeladen und unter src/main/antlr4/Java.g4 abgelegt. Anschließend werden per Rechtsklick auf Java.g4 -> Run As -> Generate ANTLR Recognizer die Hilfsdateien von ANTLR4 angelegt.

Damit die Hilfsdateien von Eclipse als Java-Quellcode erkannt werden, werden sie nach src/main/java/generated kopiert.

Metriken definieren

ANTLR4 erstellt aus der Grammatik einen JavaBaseListener. Zum Definieren der Metriken wird ein eigener Listener programmiert, der vom JavaBaseListener erbt. Wenn ANTLR4 später den Syntaxbaum durchläuft, ruft es die entsprechenden Listener-Methoden auf.

Im JavaBaseListener sind alle Events, auf die gehört werden kann, als Methode aufgeführt. Um nun den Klassennamen für die Metrik zu erfahren, wird das Event ClassDeclaration abgehört:

Um die Anzahl der Methoden zu erhalten, wird ein Counter bei jedem Auftreten einer MethodDeclaration erhöht.

ANTLR ausführen

Damit ANTLR ausgeführt werden kann, braucht es noch die zu lesende Datei und den Listener. Dazu sind nur wenige Zeilen Code notwendig:

Ein Test prüft, ob der Klassenname und die Methodenanzahl richtig extrahiert werden:

Die fertige Projektstruktur sieht in Eclipse so aus:

01_projektstruktur

Abbildung 1: Die fertige Projektstruktur.

Nun kann der Test erfolgreich durchgeführt werden.

02_erfolgreicher_test

Abbildung 2: Der Testfall läuft erfolgreich.

 Fazit

Damit der Code produktiv genutzt werden kann, sollten noch mögliche I/O- und ANTLR-Fehler behandelt werden. Außerdem müssen die erhobenen Daten weitergegeben werden, um z. B. als CSV-Datei in R importiert werden zu können.

Erfahrungsgemäß ergeben sich aus dem großen Sprachumfang viele Sonderfälle, die bei der Definition von Metriken berücksichtigt werden müssen. Hier helfen Testfälle weiter, um eine korrekte Messung sicherzustellen.

Das Beispiel konnte zeigen, dass leicht eigene Metriken aus Java-Quellcode erhoben werden können. So werden Quellcode und strukturierte Texte für die Analyse und Optimierung zugänglich.

 

Referenzen & Links

  • ANTLR4
    Die Projektseite von ANTLR4.
  • Java-Grammatik
    Die ANTLR4-Grammatik für die Java-Programmiersprache.
  • Beispielprojekt auf GitHub
    Das in diesem Tutorial verwendete Beispielprojekt auf GitHub.
  • ANTLR4-Eclipse-Plugin
    Das Eclipse-Plugin, das zum Ausführen von ANTLR4 in Eclipse benutzt werden kann.
  • Rascal MPL
    Eine Meta-Programmiersprache. Erlaubt nicht nur die Analyse, sondern auch das Erzeugen + Verändern von Quellcode.
  • Fallstudie Java-Korpus
    Eine laufende Fallstudie des Autors, in der ANTLR4 benutzt wird, um die typische Verwendung von Java-Sprachkonstrukten in 2,8 Mio. Dateien zu untersuchen.